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Die Energiewende vorleben

Eine Auseinandersetzung mit der Frage wie künstlerisch filmische Methoden die Vermittlung ressourcenschonender Lebensstile in der Energiewende zum Zweck des Klimaschutzes fördern können.

Eine Filmprojektreihe von Studierenden der Hochschule Augsburg unter Anleitung von Dr. Matthias Kunert im Rahmen von e-transform, dem Forschungsprojekt zur Kommunikation der Energiewende im Auftrag der Bundesministerium für Bildung und Forschung (www.e-transform.org).

Für eine nachhaltige Lebensgrundlage ist das Erreichen der Klimaschutzziele und deren Voraussetzung, die Energiewende, eine zentrale politische Aufgabe. Die Bevölkerung soll deshalb dabei begleitet werden den nötigen Transformationsprozess der Energiewende zu verstehen und zu unterstützen. Studentengruppen der Fakultät Gestaltung der Hochschule-Augsburg gingen daher der Frage nach, inwieweit künstlerisch filmische Methoden zur Vermittlung der für die Energiewende nötigen flankierenden Lebensstile geeignet sein können.

Für die dokumentarischen Filmportraits suchten die Studierenden nach Menschen, welche bereits einen nachhaltigen, energieverbrauchsreduzierten Lebensstil vorleben. Im Kontrast zu rationalen Vermittlungsformen wurde die emotionalste (Jacobs 2014), und authentischste filmische Form, die der Reportage, im Stil des Direct Cinema (Beyerle 1991) gewählt. Durch die Unmittelbarkeit dieser filmischen Form ohne Kommentar soll eine besonders authentische, emotionale Wirkung erzielt werden.Anhand lokaler Beispiele im Augsburger und Münchener Raum entstanden 14 dokumentarische Filme über ressourcenschonende Lebensstile: Die Themenfelder umfassten:

  • Architektur (Altbausanierung, Holzneubau)
  • Städtische Mobilität (Elektroautomobile, Lifestyle-Elektro-Autos, Elektrofahrräder, Lastenfahrräder, Designfahrräder, intermodale Mobilitäts-Apps)
  • Ernährung (symbiotischer Ökolandbau, nachhaltige lokale, saisonale Ernährung)
  • Nachhaltige, langlebige Kleidung
  • Energiewende im Kloster und Bildungsangebote zur Verhaltensänderung für ein bewusstes und dadurch freudiges Umdenken
  • Vergleich der Trinkwassernutzung und des Images von Leitungswasser gegenüber Flaschenwasser

 

Erfahrungen

Die Studenten nahmen das Thema interessiert an, denn es geht um ihre Zukunft. Es war ihnen jedoch wichtig ihre eigenen Aspekte des Themenfeldes zu suchen und umzusetzen, um sich damit zu identifizieren.

Eine grundsätzliche Problematik lag in der Ausgangssituation der Thematik, nämlich eine Reduzierung ­– in diesem Fall von Energie- und Ressourcenverbrauch – als attraktiv zu vermitteln. Schon Johannes Scherr schrieb „Werden, wachsen, blühen, welken, vergehen! Das ist das ewige Gesetz der Natur und der Geschichte.“ (Scherr 1875). In der Natur gibt es nur zwei Richtungen: Entweder etwas wächst oder etwas schrumpft. In einer Welt des kontinuierlichen Wandels ist Stillstand bereits Rückschritt. Wachstum gilt in der allgemeinen Wahrnehmung als der Normalfall und wie kann es dann gelingen, ein Leben weitgehend ohne Wachstum im Güter- und Ressourcenverbrauch als attraktiv darzustellen? Wie kann ein Lebensstiel mit freiwilliger Selbstbeschränkung und Verzicht, nicht als gesellschaftlicher Statusverlust, sondern als attraktiv und erstrebenswert erscheinen?

Dies kann nur gelingen, wenn für den Verzicht andere attraktive Belohnungen winken. Diese können zum Beispiel die zunehmend positiv interpretierten Fremdbilder der neuen Lebensstile sein – Images die durch nachhaltiges Handeln eine positive Aura der Verantwortung ausstrahlen.

 

Neudefinition von Images

Ressourcen schonenden Lebensstilen kann ein smartes, intelligentes und kultiviertes Image anhaften oder durch Neudefinition zugeordnet werden. Deutlich wurde dies im Filmprojekt bei der Frage nach dem Status von Holzhäusern im Vergleich zu Steinhäusern. Häufig gelten Holzhäuser als hellhörig, problematisch im Bereich des Brandschutzes und weniger solide. Diese Nachteile sind zunehmend überwunden und der energetische Vorteil sowie der geringere CO2-Fußabdruck des Holzbaus tritt in den Vordergrund, weil Holzhäuser weniger „graue Energie“, die Energie, die zur Herstellung des Baumaterials erforderlich ist, benötigen (Wittmann 2015). Doch muss dieser Vorteil bekannter gemacht werden, um die positive Imagewirkung zur Entfaltung zu bringen.

Eine ähnliche Erkenntnis zeigt der Film über die Trinkwassernutzung von Leitungswasser im Vergleich zu Flaschenwasser. Früher gaben alte Wasserrohre gesundheitliche und chlorgeschmackliche Gründe (Leuthe 2016) für die bevorzugte Verwendung von Flaschenwasser. Diese gibt es heute in vielen Gegenden mit hervorragender Leitungswasserqualität nicht mehr (Meißner 2016). Es blieb aber die Gewohnheit Wasser in Flaschen heim zu tragen und den bis zu 500-fach höheren Preis des Flaschenwassers zu bezahlen. Flaschenwasser wird beworben (Leuthe 2016) und mit einem sportlichen Image versehen. Damit wird es zu einem mit Image aufgeladenen Lifestyle-Konsumprodukt mit größerer Marge als Teil des auf Gewinn abzielenden kapitalistischen Systems. Leitungswasser dagegen erfährt kaum künstliche Imageaufwertung durch Werbung. Zwei Aspekte zeigt dieses Beispiel: Erstens, es lässt vermuten welche wichtige Rolle der Werbung in der Definition von Images und der Unterstützung der Akzeptanz der Energiewende zukäme. Zweitens, Ressourcenschonung, z.B. durch weniger Flaschen­, kann weniger wirtschaftliche Aktivität und weniger Gewinn bedeuten. Dies würde den Paradigmen unseres auf Wachstum und Gewinnmaximierung ausgerichteten Wirtschaftssystems widerstreben.

Am Beispiel des Fahrrades wird am deutlichsten, dass das ressourcenschonende Fahrrad dann am begehrenswertesten erscheint, wenn es als Lifestyle Produkt wahrgenommen wird. Das Filmportrait über das Unternehmen Stilrad (Rehle 2016) zeigt das Fahrrad und den damit verbundenen Lebensstil demzufolge als besonders attraktiv. Ebenso zeigen die Filme der Studierenden zu Elektroautomobilen, dass im Gegensatz zu frühen Elektroautos (Asemann 2015) die BMW (Marquardt 2016) und Tesla Fahrzeuge durch ihre Lifestyleorientierung den Wunsch nach einem ressourcenschonenden Lebensstil beflügeln können. So sollte auf das Statussymbol das Statement der Nachhaltigkeit als Distinktionsinstrument und attraktives Leitbild folgen.

Fazit und Ausblick

Die Glaubwürdigkeit hat sich in der dokumentarischen Form der Filme bewährt. Eine werblichere Darstellung könnte die Attraktivität noch steigern. Die Studierenden verinnerlichten das Thema, lernten anders zu handeln, hatten deshalb auch Spaß und werden als Multiplikatoren das geänderte Verhalten weitergeben. Nachfolgende Untersuchungen sollten den Filmeinsatz in den sozialen Medien auf ihre Wirkung überprüfen.

 

Quellen: 

Asemann, Katharina et. al. (2015) Video Wenn möglich bitte wenden, Teil 3 Elektro-Automobile. Videolink

Beyerle, Mo (Hrsg.) (1991): Der amerikanische Dokumentarfilm der 60er Jahre. Direct Cinema und Radical Cinema (Campus. Forschung. Schriftenreihe des Zentrums für Nordamerika-Forschung. Bd. 659). Campus-Verlag, Frankfurt am Main, ISBN 3-593-34413-0.

Jacobs, Olaf; Lorenz Theresa (2014) Wissenschaft fürs Fernsehen, Springer Fachmedien S. 57 ff.

Leuthe, Roland (2016) Stadtwerke Augsburg im Video Gazdova, Dominika et. al. Kommt der erste Schritt zur Nachhaltigkeit aus dem Wasserhahn? TC 8:30 Videolink

Marquardt, David et. al. (2016) Video Statement oder Statussymbol. Videolink

Meißner, Simon (2016) Wissenschaftszentrum Umwelt, Lehrstuhl für Ressourcenstrategie Universität Augsburg im Video Gazdova, Dominika et. al. Kommt der erste Schritt zur Nachhaltigkeit aus dem Wasserhahn? TC 11:02 Videolink

Rehle, Christoph et. al. (2015) Video Münchner Radlnacht 2015 und Stilrad. Videolink

Scherr, Johannes (1875) Blätter im Winde, Verlag: Leipzig E.J. Günther

Wittmann, Robert (2015) Geschäftsführer Augsburger Holzhaus GmbH im Video Asemann, Katharina et. al. Wenn möglich bitte wenden, Teil 2 Altbausanierung. TC 4:14 Videolink